Corona-Tagebuch: Tag 013

31.03.2020

Trotz der niedrigen Temperaturen habe ich heute am Termin zum Radwechsel festgehalten. Die Wartezeit während der Montage überbrückte ich mit Lesen. Der Kollege, der sich um mich und mein Auto kümmerte, fragte, was ich denn lese, einen Roman? Nein, es waren Kurzgeschichten. Die Anthologie der Rheinsberger Stadtschreiber „Hier soll Preußen schön sein“. Er finde es ja wunderbar, dass man jetzt Zeit zum Lesen hat und er lese auch viel, sagte er. Auf meine Frage, was er denn gerade liest kam die Antwort: Thomas Mann „Die Buddenbrooks∑ Ja, er habe auch schon einen Krimi gelesen, aber das sei nicht so seins. Er braucht Bücher, über die er hinterher noch lange nachdenken kann. Er liest auch jedes Buch zu Ende, auch wenn er sich durchquälen muss. Aber bei den Buddenbrooks muss er sich nicht quälen. Wie der die Menschen beschreibt, der Thomas Mann, da entstehen Bilder im Kopf und man kann sie sich vorstellen. Und dann redeten wir darüber, wie wenig sich die Welt doch geändert hat seit den Zeiten der Buddenbrooks. Dass es immer noch schwierig ist, von einer unteren Schicht in eine obere aufzusteigen und dass Frauen immer noch benachteiligt sind. Und darüber, dass es Zeit wurde, dass dieses Immer-Schneller-Immer-Teurer aufhört und zurückgefahren wird. Jetzt muss man mal nirgendwo hin. Jetzt kann man einfach nur dasitzen und lesen. Schade, dass der Radwechsel nicht länger dauerte. (Da fällt mir natürlich Brechts Gedicht vom Radwechsel ein, dem er mit Ungeduld zuschaute.)