Corona-Tagebuch: Tag 044

2.05.2020

Das Manuskript ist um zwei Seiten gewachsen, das Unkraut im Garten habe ich gekürzt. Alles richtig gemacht. Am Manuskript muss ich bestimmt auch noch kürzen – später. Ich hab eine Weile gebraucht, ehe ich rausgefunden hatte, was es mit Pimpinelle und Bibernelle auf sich hat. Pimpinelle wächst in meinem Garten, sieht aber anders aus, als das Kraut, was auf dem Pimpinellenberg bei Liepe wächst und Bibernelle genannt wird. Trotzdem heißt der Berg nicht Bibernellenberg. Und so richtig verwandt scheinen die Pflanzen auch nicht zu sein. Ich habe mich mit Pimpinelle und Bibernelle ein Weilchen abgelenkt. Ich habe dann aber doch ans Brückenfest gedacht und an die Kunst und die Künstler. Den 1. Mai ohne Brückenfest konnte ich mir nicht vorstellen und es ist noch heute, am Abend des 2. Mai ein sehr seltsames Gefühl. Ich war nicht in jedem Jahr dabei, aber fast immer. Bücher verkaufen, Kuchen verkaufen, lesen, Unicef-Karten verkaufen, Kaffee trinken am Stand des Weltladens und viele, viele Frankfurter treffen, das war das Brückenfest. In diesem Jahr haben wir alle darauf verzichtet. Es gab ein virtuelles Brückenfest. Ich war nicht dabei – vorm Bildschirm. Wahrscheinlich werde ich mir auch nicht die Aufzeichnung angucken. Wie geht es weiter mit der Kunst? Die Museen öffnen wieder. Den Künstlern, die in Einrichtungen arbeiten, die vom Bund gefördert werden, sollen Ausfallhonorare gezahlt werden. Die IHK rät den Solo-Selbstständigen, Grundsicherung zu beantragen – sprich: Hartz IV. Aber welche Rolle spielt die Kunst in unserer Gesellschaft? In welcher Talk-Runde wird darüber diskutiert? Welche Partei nimmt sich dieses Themas an? Beim Brückenfest am 1. Mai wurden immer zwei oder drei Bühne bespielt. Auch beim virtuellen Brückenfest stand Musik auf dem Programm. Aber ist sie mehr, als das Sahnehäubchen? Kunst ist meiner Meinung nach mindestens in zweierlei Hinsicht wichtig. Sie trägt zu Diskussionen gesellschaftlich wichtiger Themen bei. Und zwar auf eine andere Art als Politik und Journalismus und Philosophie und Religion und sie macht das Leben schön, angenehm, liebenswert, lebenswert. Ich kann Bücher lesen und die Bilder anschauen, die an meinen Wänden hängen. Ich kann Musik im Radio hören. Aber ich bin weitestgehend allein mit dem Erleben von Kunst. Ja, es ist nur ein Teil meines Alltags. Aber dieser Teil fehlt. Es ist, als hätte jemand ein großes Loch ins Tischtuch gebrannt.