Corona-Tagebuch: Tag 046

4.05.2020

Gerade hat die Uhr meiner Großmutter geschlagen. Ein Erbstück. Ich muss sie einmal in der Woche aufziehen, dann schlägt sie zur halben und zur vollen Stunde. Das Gehäuse ist schon ziemlich wurmstichig. Aber es hält. Es hält eine Glasscheibe und den Staub vom Uhrwerk fern. Meine Enkel sind fasziniert davon, dass die Uhr zur vollen Stunde immer so viele Schläge macht, wie die Stunden geschlagen hat. Ich habe heute einen guten Text von Alexander Grau in der NZZ über Melancholie gelesen. Irgendjemand hatte ihn auf Facebook geteilt. Es gab viele Wortmeldungen zu dem Text. Was mir daran gefallen hat, war der Gedanke, dass Lebensentwürfe scheitern und das Glück von Zufällen abhängig ist. Ich denke, das stimmt. Wenn ich versuche, als Künstlerin erfolgreich zu sein, gehören natürlich Fleiß, Talent und Ausdauer dazu. Aber wenn ich nicht das Glück habe, im richtigen Moment den richtigen Menschen zu begegnen, die mir dabei helfen, mit meiner Kunst an die Öffentlichkeit zu kommen, dann nützen auch Fleiß und Talent nichts. Seit sieben Jahren ploppt an jedem Montagabend in meinem Kalender ein Termin auf: Beitrag für „Sankt Spiritus“ schreiben. Ich will mich damit disziplinieren, jede Woche etwas in dem Blog zu schreiben, mit dem ich meine Schreibwerkstatt begleite. Ich habe diese Aufforderung an mich bisher zu 99% ignoriert. Heute habe ich einen Beitrag geschrieben.