Jeden Morgen mache ich ein paar Yogaübungen. Immer die gleichen. Es dauert nur zehn Minuten. Ich springe nicht aus dem Bett, rolle die Matte aus und zack, liege ich auf dem Boden. Nein, ich tappe halbblind durch die Wohnung. Im Winter, wenn es morgens noch dunkel ist, mache ich kein Licht an. Ich stöhne und seufze und mache Yoga. Langsam werde ich wach dabei. Langsam kommt Bewegung in meine Gedanken. Ein Weilchen liege ich flach auf dem Boden. Dann fällt mir irgendwas ein, was ich heute unbedingt erledigen muss. Am besten, ich mache es gleich als erstes. Manchmal denke ich: Wozu heute Yoga? Hat ja doch keinen Sinn. Wozu aufstehen? Wartet irgendwer auf mich? Ist das, was ich heute tun werde, für irgendjemanden wichtig? Aber ich habe nun schon tausende Male Yoga gemacht, immer und immer wieder, so dass mein Körper meine Gedanken ignoriert und blind zur Yogamatte tappt. Es ist eines der Rituale, die mich durch den Alltag bringen. Gerade in Zeiten, in denen alles durcheinander gerät, anders ist, als sonst, helfen mir die kleinen alltäglichen Rituale weiter. Abends ist es das Glas Rotwein. Oder ein kleiner Whiskey. Sundowner heißen die in südlichen Ländern. Bei mir heißen sie nur im Sommer so, wenn ich sie im Garten oder am Meer genießen kann.