Text und Tanz

Die Idee, das gelesene Wort, meine Geschichten und Gedichte, mit Tanz zu verbinden, hatte Ulrike Liedtke. Ich konnte mir zuerst nicht vorstellen, wie das gehen soll. Ich schickte ein Lesemanuskript an Milena Junge. Sie stellte ein paar Fragen, macht mir einen Vorschlag für eine Dramaturgie, bat mich um eine Tonaufnahme eines Gedichtes. Schon da war ich nicht mehr nur neugierig, sondern überzeugt davon: das wird etwas besonderes.

Am Pfingstsamstag 2025 fand in Rheinsberg bei Tanz & Art die Premiere statt. Wir trafen uns zwei Stunden vorher. Milena brachte einige Requisiten mit. Auf Musik hatte sie verzichtet. Wir sprachen uns ab.

Publikum kam. Ich begann zu lesen. Beim zweiten Text kam Milena dazu. Sie tanzte viel hinter mir. Aber ich hörte sie und ich konnte in den Augen des Publikums lesen. Ich konnte mich ganz hineinfallen lassen in unser gemeinsames Tun, mich dem Rhythmus meiner Texte hingeben und Milenas Tanz. ich konnte Geräusche von der Straße integrieren. Es fühle sich leicht an und stimmig. Milena erzählte mit dem Körper im Raum, während ich ganz still saß und las und rezitierte. Sie erzählte Passagen aus meinen Geschichten auf ihre Art noch einmal oder weiter oder anders. Besonders die eine kurze Geschichte zog sich durch das ganze Programm, wurde zum Leitmotiv.

So erzählte sie

Von der Erde erzählte sie, von der Finsternis und vom Licht. Der Lavendel blühte, die Fenster waren weit geöffnet. Die Nächte waren kaum kühler als die Tage. Niemand konnte schlafen. Die Großmutter nicht, die Eltern nicht, das Kind nicht. Also erzählte die Großmutter die Geschichten, die ihre Großmutter in diesen Nächten schon erzählt hatte. Die Geschichten, in denen es um den Anfang von allem geht. Auch das Vieh war unruhig in diesen Nächten. Hin und wieder muhte eine Kuh in eine der Geschichten.

Viele Jahre, nachdem die Großmutter gestorben war – das Kind des Kindes war selbst Großmutter – saßen sie in diesen Nächten, in denen das Vieh unruhig war, und erzählten wieder.

Wir erzählten, jede auf ihre Weise.